Ein aufschlussreicher Besuch in Brüssel - bei den Europäischen Institutionen

Europa

Europaseminar der Europäischen Akademie Bayern und des Abgeordnetenbüros Kerstin Westphal

Unsere Genossen Jutta und Helmut Kennerknecht folgten der Einladung unserer SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament, Kerstin Westphal (Schweinfurt), auf eine 4-tägige Reise nach Brüssel (20. bis 23. September 2015).

 

Das dichte Programm umfasste an den beiden Tagen in Brüssel das Kennenlernen der Institutionen Europäischer Rat, Europäische Kommission, EU-Parlament sowie Ausschuss der Regionen. 

Neben diesen politischen Stationen gab der Studienleiter, Herr Jochen Zellner, am Ankunftsabend, einem autofreien Sonntag (Erinnerung an die Ölkrise in den 70er Jahren), eine erste Kurzführung durch den sehr ansprechenden und lebendigen alten Stadtkern von Brüssel. Die Stationen der Europäischen Politik fanden angenehme Auflockerung durch eine 2-stündige Stadtführung per Bus und zu Fuß am Montag und durch einen freien Nachmittag am Dienstag.

In der ca. 25-köpfigen Reisegruppe befanden sich vier junge Menschen mit Behinderung. Die Reisegruppe konnte auf diese Weise miterleben, auf welche Barrieren etwa eine Rollstuhlfahrerin auf Raststätten, in den Einrichtungen der EU-Kommission und im „normalen“ Großstadtbetrieb einer modernen Stadt wie Brüssel stößt. Dank der beiden Betreuer war immer Hilfe parat; schwer vorstellbar ist das Durchkommen der Rollstuhlfahrerin ohne diese Hilfe. In einer kurzen Abschiedsadresse dankte die Betreuerin der Reisegruppe für die in diesen Tagen harmonisch gelebte Inklusion.

 

Rat der Europäischen Union (Ministerrat)

Der Rat der Europäischen Union ist das wichtigste Entscheidungsorgan der Europäischen Gemeinschaft. Er setzt sich zusammen aus Vertretern der Mitgliedsstaaten auf Ministerebene und tritt regelmäßig zusammen. Die Zusammensetzung hängt von den zu behandelnden Themen ab, bei Umweltfragen sind es z. B. die Umweltminister aus allen EU-Staaten; sie werden dann als Rat „Umwelt“ bezeichnet. Während der Rat als Gesetzgebungsorgan agiert, werden die Vorschläge von der Europäischen Kommission formuliert. Das Europäische Parlament nimmt aktiv an diesem gesetzgebenden Prozess teil.

Die Reisegruppe erhielt die Informationen über den Rat und das Zusammenspiel der übrigen Institutionen durch einen sehr kompetenten Beamten. Die Reisegruppe nahm dabei die Stühle der Ratsmitglieder im Sitzungssaal des Rates ein. Hinter den Ratsstühlen befinden sich  die Dolmetscherkabinen für die insgesamt 23 angewandten Sprachen aus den insgesamt 28 Mitgliedsstaaten. Der Rat beschäftigt ca. 2900 Verwaltungsmitglieder. Allein für die Bewältigung der sprachlichen Aufgaben sind über 1000 Mitarbeiter beschäftigt, davon ca. 100 Juristen.

Neben dem Ministerrat tritt im Normalfall zweimal pro Halbjahr der Europäische Rat, die Versammlung der Staats- und Regierungschefs der 28 Mitgliedsstaaten, zusammen.

 

Europäische Kommission

Die Europäische Kommission besteht aktuell aus 27 Kommissaren und dem Kommissionspräsidenten (aktuell Jean-Claude Juncker). Jedes Mitgliedsland stellt einen Kandidaten. Die Kommission wird des Öfteren mit der Exekutive einer Regierung verglichen. Hauptaufgaben sind die Ausführung der europäischen Rechtsakte, die Umsetzung der EU-Haushalte (entwirft den Haushaltsplan) und die Durchführung der beschlossenen Förderprogramme. Außerdem hat die Kommission das „Initiativrecht“, d. h. sie besitzt die Befugnis, neue Vorschriften vorzuschlagen (s. auch Ministerrat und EU-Parlament). Der Kommissionspräsident wird vom Europäischen Rat, der Versammlung der Staats- und Regierungschefs, bestimmt und benötigt ein Zustimmungsvotum des Parlaments.

Der Kommissionspräsident wählt in Absprache und Zustimmung mit dem Rat die Kommissare. Jedoch ist die Zustimmung des EU-Parlaments für die Auswahl der Kommission auch sehr bedeutend. Der Kommissionspräsident teilt aber den Kommissaren ihren Aufgabenbereich zu.

Nach den erhaltenen Informationen hat die Kommission mehr als 33000 Bedienstete in 33 Dienststellen (ca. 10000 für sprachliche Aufgaben). In Brüssel gibt es demnach neben den Institutionen 33000 Lobbybüros mit ca. 60- bis 70000 Lobby-Arbeitern. Ein Gesetzgebungsverfahren dauert mindestens 1 ½ Jahre. Deutschland ist der größte Nettozahler mit ca. 11,5 Milliarden EUR, Polen ist der größte Nettoempfänger mit ca. 12 Milliarden EUR.

 

Europäisches Parlament

Seit 1979 wird das Europäische Parlament (gegründet 1952) alle fünf Jahre gewählt (zuletzt im Mai 2014, 751 Abgeordnete). Somit ist das Europaparlament die einzige direkt gewählte supranationale Institution weltweit und vertritt rund 500 Millionen Menschen. Trotz mehrmaliger Erweiterung seiner Kompetenzen (Maastricht 1992, Nizza 2001 und Lissabon 2009) hat es im Vergleich noch immer weniger Rechte als die nationalen Parlamente der meisten Staaten. Deutschland hat mit zurzeit 96 Abgeordneten die meisten Sitze und stellt auch mit Martin Schulz (SPD) den Parlamentspräsidenten.

Das Parlament hat drei wesentliche Aufgaben:

Gesetzgebung                       Budgetierung             Kontrolle der Europäischen Kommission

Das Gesetzgebungsverfahren (s. auch Ministerrat) ähnelt insgesamt dem deutschen Gesetzgebungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat. Allerdings besitzt das EU-Parlament kein Initiativrecht.

Parlament und Rat bilden gemeinsam die Haushaltsbehörde der EU. Sie entscheidet über die Budgetierung des EU-Haushalts (142,64 Mrd. Euro für 2014). Bei den Einnahmen hat der Rat das letzte Wort, bei den Ausgaben das Parlament.

Kontrollfunktionen sind: Prüfung der Kompetenz und Integrität der designierten Kommissare, Zustimmung der Benennung, Bestätigung oder Ablehnung des Kandidaten zum Kommissionspräsidenten, ggf. Erzwingen eines Rücktritts der Kommission über Misstrauensvotum mit 2/3-Mehrheit, Einsetzung von Untersuchungsausschüssen zur Kontrolle über den Rat.

Unsere MdEP Kerstin Westphal aus Schweinfurt arbeitete mehrere Jahre als Kinderpflegerin und Erzieherin in unserem St.-Josefs-Stift. Sie wird uns gerne bei Gelegenheit einen Besuch abstatten.

Im EU-Parlament arbeitet sie im Ausschuss für Regionalpolitik und ist u. a. Stellvertreterin des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz. Kerstin Westphals Ziel als SPD-Eu-ropa-Abgeordnete ist, dass die EU nicht mehr nur eine Wirtschaftsunion ist, sondern endlich auch zu einer Sozialunion wird. Das ca. 1-stündige Zusammentreffen mit Kerstin Westphal war in ihren Ausführungen und den Diskussionen vom Flüchtlingsthema bestimmt.

 

Ausschuss der Regionen (AdR)

Der 1994 errichtete AdR ist ein beratendes Organ, der aus Vertretern der regionalen und kommunalen Gebietskörperschaften Europas besteht. Er muss z. B. in Bereichen er Regionalpolitik, Umweltschutz, Bildung und Verkehr angehört werden, bevor Maßnahmen auf EU-Ebene ergriffen werden. Dem Ausschuss gehören 353 Mitglieder an (gewählte Regional- und Kommunalpolitiker wie Landräte oder Bürgermeister großer Städte).

 

Zusammenfassung

Zur Annäherung an das politische Europa als Bürger aus der kleinen Region und durch manche EU-Gesetzgebung Betroffener erscheint es wertvoll, die Institutionen und das Umfeld einer bekannten Parlamentarierin und der aus den Medien bekannten Prominenten kennenzulernen. 28 Nationen mit 23 verschiedenen Sprachen unter einen Hut zu bekommen ist für einen europäisch wunsch-denkenden schwer  vorstellbar, und der genannte Aufwand an personellem Einsatz allein für die Sprachaufgaben wird nachvollziehbar.

Beeindruckend neben der trockenen Information über die Institutionen sind die unterschiedlichen Architekturen, die für die Institutionen entstanden sind, nicht zuletzt die kleine aber zentral gelegene Bayer. Vertretung, die sich ausnimmt wie David vor dem Riesen Goliath.

Die Stadt Brüssel ist alleine eine Reise wert mit vielschichtiger alter und moderner Architektur (Grand Place, einer der schönsten Marktplätze Europas; das berühmte Manneken Pis; Palais Royal, Quartier Europeen, Cathedrale Saint-Michel mit prächtigen Glasfenstern aus dem 16. Jahrhundert), interessanten Museen, guter Gastronomie und nicht zuletzt den legendären Pralinen. Eine schöne, weiterzuempfehlende Reise, die mehrmals im Jahr angeboten wird von Europäische Akademie Bayern   www.eamuc.de   info@europaeische-akademie.de  

Bleiben wir der Verwirklichung eines gemeinsamen Europa treu!

 
 

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